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Lars Walkling ist seit langer Zeit einer der Underdogs der deutschen Tätowierer. Sehr selten auf der Tanzfläche zu finden, haben wir inzwischen rausgefunden, dass es ihn nach Miami geführt hat. Lesen wir über seine Welt.

Lars, erst mal lieben Dank, dass du dir nach der wiederholten Nachfrage, doch Zeit fürs Interview nimmst. Wie häufig habe ich dich danach gefragt mit uns über dich selber zu sprechen. Mega, steigen wir gleich ein. Stell dich doch mal kurz vor:

Hallo Gordon, vielen Dank für die Einladung. Hat mich sehr gefreut und gewundert, da ich wie du schon erwähnt hattest, ja eher weniger bekannt bin.
Ich heiße Lars Walkling, bin seit ca 1997 am Tätowieren. In 2013 bin ich von Heidelberg nach Miami ausgewandert. Ich bevorzuge den traditionellen japanischen Tätowierstil und bin seit 2019 Mitglied der Horikoi Family, Toyohashi, Japan.

Tebori session in Toyohashi

Raijin, Japanese god of thunder

Raijin, Japanese God of Thunder

Okay, da haben wir gleich mehrere interessante Punkte über die wir im Laufe des Interviews sprechen können. Sprechen wir erst mal über dein Ideal und wieso du dich gerne zurückhältst?

Das ist eine gute Frage. Ich weiss gar nicht, ob ich das alles so bewusst mache. Schliesslich habe ich auch eine Website und Instagram. Hängt eventuell damit zusammen, daß ich meine Arbeiten nur poste und weniger networking betreibe. Selbst folge ich relativ wenig Leuten, da mich die ganze Flut an Informationen eher stresst als motiviert. Ich genieße den Austausch mit Kunden und mache das weniger auf den sozialen Medien. Ausser die Distanz lässt es nicht anders zu. Es gibt meiner Meinung nach keine bessere Werbung wie Mundpropaganda und das findet, zumindest bei mir, eher lokal oder dort wo ich unterwegs bin, statt.
Manchmal mache ich noch hier und da ein paar Conventions oder Guestspots.

Das hört sich nach einem organisierten, erwachsenen Weg an. Wie kam es eigentlich, dass du nach Miami ausgewandert bist?

Danke (haha). Der eigentlich Grund dafür war meine Frau. Sie kommt aus Miami und nach 9 Jahren Deutschland wurde es dann letztendlich doch zu kalt und nicht sonnig genug. Anfangs war ich nicht wirklich Feuer und Flamme, da Miami bzw Florida bekannter Weise nicht das Tattoo-Mekka ist und es mir in Deutschland bei Alex im „Absolut Tattoo“ ganz gut gefallen hat. Aber da nun mal die interessanten Dinge außerhalb deiner Komfortzone passieren, habe ich mich doch entschieden diesen Schritt mitzumachen. Was letztendlich ein sehr harter Weg war und immer noch ist, den ich aber definitiv nicht missen will. Ich bin sehr froh diesen Schritt gemacht zu haben. Man lernt sehr viel Neues über sich selbst. Auch dem Tätowieren hat es viel gebracht. Meine Arbeit hat dadurch einen ganz anderen Schwung und neuen Wind bekommen.

Ryumaru Horimono

Aus der Komfortzone raus nach Miami ist sehr mutig. Barrieren brechen und neue Wege gehen. Als jemand der alleine arbeitet, hört sich das für mich eher an wie jemand, der sich sehr auf seine Kunden und Projekte konzentriert. Um bei dir Kunde zu werden sind doch sicherlich einige wichtige Kriterien zu beachten oder?

Ich denke man kann sich auf seine Kunden und Projekte in fast jeder Art von Studio konzentrieren. Was mir nicht immer leicht gefallen ist, aber mit der Zeit lernt man dazu und versteht besser auf das Ganze einzugehen ohne sich all zu sehr stressen zu lassen. Wer sich gerne von mir tätowieren lassen möchte, muß zu allererst einmal mich kontaktieren. Am besten wäre über Email oder auch Instagram. Ansonsten sollte die Person natürlich Interesse an traditionell japanischen Tätowierungen haben und verstehen, daß ich mich an den Stil der Horikoi Familie halte. Das wären die beiden Kriterien. Ich gehe nicht davon aus, daß sich jeder Kunde intensiv mit der Materie beschäftigt. Dafür bin ich da. Jedoch merke ich, daß die Leute sich mehr und mehr über Bedeutungen und Motive informieren, was ich ehrlich gesagt sehr gut finde. Man bekommt auch eine gewisse Erfahrung nach 23 Jahren in dem Geschäft. Somit kann es natürlich auch mal sein, daß jemand nicht von mir tätowiert wird. Man verbringt ja eine gewissen Zeit miteinander. Je nach Projekt können das auch Jahre werden. Daher schau ich schon drauf, ob das passt. Was im Endeffekt nicht nur mir sondern auch dem Kunden zugute kommt.

Drawing of the Japanese warrior

Part of a Momotaro Painting by Lars

God of Thunder and God of wind tattooed on chest panels of a man.

God of Thunder and God of wind tattooed on chest panels of a man.

Da bin ich voll bei dir, Kunden die nicht passen kann man ja auch dann seine Dienste verwehren. Das mache ich auch bei Bedarf. Schließlich hat man seine Lebensenergie nur einmal. Empfindest du, dass viele Leute, die dich aufsuchen, deine Dienste als Konsum-Produkt oder als Leidenschaft empfinden?

Das ist eine Frage, die schwer zu beantworten ist. Konsum kann ja auch eine Leidenschaft sein. Aber jeder Mensch ist anders. Ich tätowiere sowohl jemand, der das als Konsum sieht, als auch jemand, der das aus Leidenschaft macht. Solange die Chemie stimmt. Die Entscheidung warum und auch was tätowiert wird, bleibt jedem selbst überlassen. Ich kann dann meinen Senf dazu geben was machbar bzw haltbar ist. Ich sehe mich in dieser Gleichung eher als Handwerker der seinem Handwerk treu bleibt allerdings ohne Rockstarallüren.
Gefällt mir. Deine Antwort ist schlüssig. In einer beruflichen Welt wo oftmals Kunst im Vordergrund steht, haben wir aber auch Probleme mit Ego, Neid, Gier und anderen menschlichen Qualitäten. Wie hältst du dich denn fit und sauber?
Ich habe für mich herausgefunden, daß ich einen gewissen Ausgleich zu dem Ganzen brauche. Denn, wenn ich ständig nur tätowieren und Tätowierer um mich habe, kann das alles in einer Art Sackgasse enden. Als ich damals anfing, hatte ich relativ schnell eine sechs Tage Woche, die meistens zu einer sieben Tage Arbeitswoche wurde. Das ganze ging einige Jahre so. Wenn man dann dazu kein anderes Ventil hat, ist man schnell ausgebrannt. Was bei mir der Fall war. Also habe ich versucht mir entsprechend Ausgleich zu suchen. Ich habe definitiv Freunde die tätowieren. Allerdings sind die ähnlich drauf und wir haben auch andere Themen außer das Tätowieren. Ich versuche mich im töpfern und male auch gerne, wenn es die Zeit zulässt. Sollte ich dann dazu kommen, male ich Dinge, die nichts mit dem tätowieren und dessen Stil zu tun haben. Was nicht heisst das ich daraus keine Inspiration ziehe, ganz im Gegenteil. Ich lasse mir genug Freiheit, um immer noch Spass an dem ganzen zu haben. Seitdem ich hier in Florida lebe, habe ich mit dem Surfen angefangen, da ich niemand bin, der sich gerne im Fitnessstudio aufhält, ist es perfekt. Neben dem sportlichen Aspekt, ist das Surfen auch eine Art Mediation. Man befindet sich in einem Element, der Blick Richtung Horizont und der Rest ist erstmal egal, bis man wieder aus dem Wasser kommt. Ausser auf dem Surfbrett meditiere ich aber auch zuhause. Manchmal mehr und manchmal weniger. Aber ich muß sagen, daß es mir extrem viel bringt. Es gibt einem die gewisse Ruhe in dem ganzen Informationschaos da draußen. Ich bin auch auf den sozialen Medien nicht immer so aktiv wie manche meiner Kollegen. Es ist ein Fluch und Segen zu gleich. Man hat die Möglichkeit für umsonst seine Portfolio zu verbreiten und schnell mit Leuten in Kontakt zu kommen, aber bekommt auch viel zu viel Info auf einmal. Ich folge selbst relativ wenig Tätowierern. Einmal aus dem Grund nicht ständig von anderen Ideen beeinflusst zu werden und ich tendiere selbst dazu, mich durch den ein oder anderen Account zu klicken und verliere zu viel zeit. Auch die ganze information stresst mich eher als das sie mir was bringt. Jeder muss das für sich so halten wie es am besten passt.
Was das Ego angeht, denke ich das ich das ganz gut im Griff habe. Ich weiß, was ich kann und wo meine Schwächen und Stärken liegen. Es gibt immer einen größeren Fisch da draußen. Je schneller man das kapiert um so besser geht es einem. Es ist mir nicht wichtig von den großen Namen da draussen gelobt zu werden. Mir kommt es drauf an, daß sich der jeweilige Kunde mit seinem neuen Tattoo wohl fühlt. Dadurch entwickelt sich auch eine gute Kommunikation mit dem Kunden. Man muss und wird nicht mit jedem bester Freund, aber diese Art zu arbeiten und Pflege der menschlichen Kontakte ist mir sehr wichtig.

Meditation, Bewegung und Kreativität sind Eigenschaften, die sehr viel Geduld fordern. Mit Sicherheit ist das ein großes Plus im Berufsleben.
Ich bin der Meinung, dass Kreativität und gutes, gesundes Arbeiten mehrere Komponenten braucht. Man lernt über die Jahre hinweg auf die Kreativität, wenn man sie benötigt, zurück zu greifen. Was ich hier beschrieben habe ist eher allgemein zu sehen. Wenn ich mich allerdings auf das traditionelle japanische Tätowieren beziehe bekomme ich die meiste Inspiration im Austausch mit Sensei Horikoi 1 / Kisaragi 1 und der Familie. Anfangs habe ich einige Zeit überlegt, ob ich überhaupt Familienmitglied werden soll. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt alles alleine recherchiert habe. Von Motiven bis hin zu Tebori Werkzeug, Nadeln und Sumi. Aber im Nachhinein bin ich extrem froh, diesen Schritt gegangen zu sein. Es hat sich eine neue Welt aufgetan von der ich nichts wusste.
Die Tiefe von Bedeutungen und Details ist Wahnsinn. Mir geht es hier weniger um einen japanischen “Hori” Namen oder andere Dinge die den Anschein machen wichtig zu sein. Mehr um das Wissen, was man eigentlich nie bekommen kann außerhalb Japans und ohne dessen Erklärung. Es hat sich auch eine gute Freundschaft zu Sensei Horkoi 1 und anderen Familienmitgliedern entwickelt. Letztes Jahr, hatte ich die Möglichkeit den Meister zu besuchen und bei ihm zu wohnen, den Alltag mit zu erleben und ein Teil davon zu sein. Das Ganze hat meine Meinung nur verstärkt, daß man das japanische Tätowieren nicht wirklich ausserhalb Japans erlernen kann. Klar kann man saubere Linien, Schattierungen und entsprechend gut die Farbe unter die Haut bringen. Dazu noch ein passendes Motiv und die Sache sieht auf den ersten Blick gut aus. Wenn man aber etwas tiefer geht und genauer schaut, dann bemerkt man die Fehler. Da ich mich nunmal dazu entschlossen habe, dies so gut wie möglich umzusetzen, sind mir solche Dinge wichtiger denn je geworden. Aber mal von den ganzen materiellen Sachen abgesehen, wie Bücher, Nadeln und Tebori Werkzeugen, hat Sensei Horikoi 1 einfach ein fast endloses Repertoire an Geschichten und Wissen, was er mir mitgegeben hat und immer noch tut. Ich habe selten jemand kennengelernt, der solch eine starke Persönlichkeit ist und sich nicht unterkriegen lässt. Solch eine Persönlichkeit entwickelt sich natürlich nur über ein rasantes und ereignisreiches Leben. Ich bin sehr dankbar darüber, ein Teil davon zu sein. Wir hatten uns einige Nächte um die Ohren geschlagen mit allen möglichen Geschichten. Ich habe durch ihn gelernt, etwas geduldiger zu werden, Dinge aus anderen Perspektiven zu sehen und manchmal bringt es sehr viel, einfach mal nur abzuwarten. Sobald es wieder möglich ist, freue ich mich schon wieder mich Richtung Japan aufzumachen.

Sensei Horikoi and Lars Walkling

Lars Walkling in Toyohashi

Das stimmt, einen Meister zu haben ist nicht einfach.  Vor allem, wenn man schon eine lange Zeit tätowiert. Man hat seine Routine und eigene Art Dinge zu erledigen. Aber Sensei Horikoi1 ist da anders. Er versteht das und weiß, woher man kommt. Wenn man dann noch sein eigenes Ego unter Kontrolle hat, kann man selbst nur davon profitieren.
Ich mach das ja freiwillig. Niemand wird hier gezwungen und seit dem ich Familienmitglied bin habe ich nochmal einen großen Schritt nach vorne getan. Was meine Arbeit angeht und meine persönliche Entwicklung.
Was den Meister angeht, hat sich da eine tolle Freundschaft entwickelt. Man spricht nicht nur über das Tätowieren. Er selbst ist ein sehr spiritueller Mensch. Er selbst meditiert bzw. praktiziert täglich sein SGI Ritual. Ich denke, dass das spirituelle, andere Dinge ausfüllt, die das Tätowieren auslässt. Vielleicht auch etwas Ruhe reinbringt, nach einer eher turbulenten Vergangenheit…
Das gesamte Interview könnt ihr in der Ausgabe 39 von Tattoo Kulture Magazine lesen.
http://Www.tattoo-kulture.com

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